Udo Kraft

Wettbewerbsverstoß durch einzelne Falschauskunft? Ja!

Wettbewerbsverstoß durch einzelne Falschauskunft? Ja!
Die Angst vor Abmahnungen gehört zum Online-Handel wie süßer Senf zur Weißwurst. Diejenigen, die noch kein anwaltliches Schreiben samt vorgefertigter Unterlassungserklärung und Kostennote zur zeitnahen Überweisung erhalten haben, können sich glücklich schätzen. Denn beim Betrieb eines Webshops kann viel falsch gemacht werden. Vorsicht ist seit einiger Zeit auch bei Auskünften geboten, die einzelnen Kunden erteilt werden. Auch diese können wettbewerbswidrig sein. Mit Urteil vom 16. April 2015 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass eine einmalige Falschauskunft gegenüber einem einzelnen Verbraucher eine „irreführende Geschäftspraxis“ darstellt (C-388/13). Angestoßen hatte die Entscheidung ein ungarischer Verbraucher.

Zum EuGH wegen 17 Euro!

Dieser wollte seinen Vertrag mit einem Kabelfernsehdienstleister beenden. Deshalb fragte er die aktuelle Vertragslaufzeit ab, um die Kündigung fristgerecht erklären zu können. Da ihm der mit der Anfrage betraute Mitarbeiter des Unternehmens ein falsches Datum nannte, ging die Kündigung verspätet ein, was weitere Kosten beim Verbraucher verursachte; 5.243 ungarische Forint um genau zu sein, also knapp 17 Euro. Darüber beschwerte er sich bei der Verbraucherschutzinspektion der Budapester Regierungsverwaltung.

Bußgeld – Zahlungsverweigerung - EuGH

Diese wiederrum verhängte ein Bußgeld gegen den Kabelfernsehanbieter wegen unlauterer Geschäftspraxis, was dieser nicht zahlen wollte. Das Ende vom Lied spielte vorm EuGH. Nachdem sich der Unternehmer - erfolgreich - gerichtlich gegen das Bußgeld gewehrt hatte, wandte sich das von der Behörde angerufene Revisionsgericht an den EuGH. Er sollte über die streitentscheidende Frage urteilen, ob auch eine einmalige Falschauskunft gegenüber nur einem einzigen Verbraucher als irreführende Geschäftspraxis im Sinne der UGP-Richtlinie (RL 2005/29/EG) einzustufen ist. Klare Antwort der Luxemburger Richter: Ja!

„Geschäftspraxis“ braucht weder Wiederholungen noch mehrere Betroffene

Die zu Grunde liegende Norm der UGP-Richtlinie macht keine Einschränkungen dahingehend, dass für eine „Geschäftspraxis“ Wiederholungen des Fehlverhaltens erforderlich sind, oder mehrere Personen davon betroffenen sein müssen. Ausschlaggebend ist allein, dass eine objektiv falsche Auskunft erteilt wird, die dazu geeignet ist, den Verbraucher in seiner Entscheidung nachteilig zu beeinflussen. Wie der vorgelegte Sachverhalt zeigt, kann das auch schon bei einer einmaligen Falschauskunft der Fall sein.

Absicht oder Unachtsamkeit – spielt keine Rolle

Selbst auf die Frage, ob das Verhalten des Unternehmers vorsätzlich oder nur fahrlässig war, kommt es nicht an. Dennoch ist wohl nicht mit einer Abmahnwelle zu rechnen. Denn im konkreten Fall hatte sich der betroffene Kunde erst bei einer Verbraucherschutzorganisation beschwert, bevor diese tätig geworden ist und das Gerichtsverfahren ins Rollen gebracht hat. Das hätte aber vielleicht durch zuvorkommenden Kundensupport und Kulanzmaßnahmen verhindert werden können.

Auswirkungen auf deutsche Online-Händler

Das Urteil des EuGH stützt sich auf eine Norm der UGP-Richtlinie, die auch in deutsches Recht umgesetzt wurde. Dass die Entscheidung einen ungarischen Fall betraf, bedeutet also nicht, dass sie nicht auch für deutsche Online-Händler relevant werden kann. Ob nun aber verstärkt Abmahnungen auf Grund des Urteils ausgesprochen werden, kann angezweifelt werden. Denn um wettbewerbsrechtlich gegen einen Unternehmer vorgehen zu können, müssen Konkurrenten oder die abmahnberechtigten Verbände zunächst von dessen Fehlverhalten erfahren.

Fazit: Kulanz zur Vermeidung von Abmahnungen

Wer Verbrauchern eine falsche Auskunft erteilt, kann dafür abgemahnt werden. Dass das aber in der Praxis tatsächlich erfolgt, ist unwahrscheinlich. Der betroffene Kunde müsste dafür nämlich zunächst - beispielsweise die Verbraucherzentrale - über das Fehlverhalten informieren. Darauf verzichtet er vielleicht, wenn der Unternehmer kundenfreundlich auf den eigenen Fehler reagiert. Ein Minimum kann eine Entschuldigung sein, zusätzlich sind Kulanzmaßnahmen wie Rabatte, Gutscheine oder Ähnliches möglich. Das dürfte allemal kostengünstiger sein, als eine Abmahnung.
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