Schätzungen zufolge horten alleine wir Deutschen rund 80 Millionen alte Handys zu Hause. Die Zahl der gelesenen Bücher in dunklen Kellern dürfte noch um ein Vielfaches höher sein. Kurzum, für die aktuellen Besitzer nutzlos gewordene Waren aller Art im Wert von Milliarden Euro fristen ein klägliches Dasein als totes Kapital. Das liegt meist daran, dass es für die Eigentümer schlicht zu aufwändig ist oder als nicht lohnenswert erachtet wird, die Waren zu verkaufen. An wen auch? Man müsste ja erst einmal einen interessierten Käufer finden. Alles zu viel Stress für ein paar Euro Verkaufserlös.
Was liegt da näher als die Idee, als professioneller Online-Händler diese Güter dem Markt wieder zuzuführen? Genau das ist der Grundgedanke von Re-Commerce. Seit gut zehn Jahren gibt es hierzulande
Online-Plattformen, die gebrauchte Waren an- und wieder verkaufen. Wie sind die Abläufe im Re-Commerce? Wo liegen die Unterschiede zum klassischen E-Commerce? Wenn du wissen möchtest, ob Re-Commerce auch eine Option für dein Business ist, dann haben wir hier einige Informationen für dich.
Potenzial und Player im Re-Commerce
Das theoretische Marktvolumen, also der Wert der Waren, die ohne Verwendung in privaten Haushalten herumliegen, ist schwer quantifizierbar. Es dürfte sich allerdings mindestens im zweistelligen Milliarden-Euro-Bereich bewegen. Wir reden hier von Artikeln aller Art: funktionstüchtige Smartphones die durch das Nachfolgemodell ersetzt wurden, Baby- und Kinderkleidung, denen die lieben Kleinen entwachsen sind, Bücher, Einrichtungsgegenstände und, und, und ...
Re-Commerce Anbieter wie rebuy, Wirkaufens und andere haben ihr Geschäftsmodell darauf ausgerichtet, das Potenzial dieses Marktsegments des toten Kapitals für sich zu heben. Sie bieten an, gebrauchte Waren zu einem meist vorher festgelegten Preis aufzukaufen und verkaufen diese dann - natürlich möglichst gewinnbringend - weiter. Bei Elektronikartikeln kann das Ziel gelegentlich auch sein, die Rohstoffe aus den Altgeräten zu gewinnen und gegen Entgelt dem Recycling zuzuführen.
Einige exemplarische Zahlen zum Volumen des Marktes: rebuy hat jüngst für 2015 einen Nettoumsatz von 70 Millionen Euro gemeldet, Momox gar einen Umsatz von 118 Millionen Euro und einen Gewinn von 4,4 Millionen Euro.
Warum nicht eBay?
Der An- und Verkauf ist natürlich zunächst einmal eine Domäne von Auktionsplattformen - allen voran eBay. Und auf diesen Plattformen findet auch ein beträchtlicher Teil des Online-Handels mit gebrauchten Waren, vornehmlich zwischen Privatpersonen, statt. Klar. Doch viele potenzielle Verkäufer scheuen den Aufwand, zum Beispiel ihr altes Smartphone bei ebay einzustellen, ohne zu wissen, welchen Preis sie letztlich erzielen werden. Umgekehrt befürchten private Käufer, ein solches Produkt könne versteckte technische Defekte aufweisen und daher den Kaufpreis nicht wert sein.
Das ist bei den Re-Commerce-Anbietern anders. Diese führen meist Listen, auf denen leicht abzulesen ist, welcher Preis beispielsweise für ein funktionstüchtiges zwei Jahre altes iPhone 6 bezahlt wird. Der Verkäufer kann dann entscheiden, ob dieser Preis seinen Aufwand, nämlich das Verschicken der Ware an den Re-Commerce-Anbieter, rechtfertigt. Umgekehrt kann man beim Kauf eines technischen Gerätes via Re-Commerce in der Regel davon ausgehen, dass es geprüft ist und sich tatsächlich im angegeben Zustand befindet.
Abläufe im Re-Commerce im Vergleich zum E-Commerce
Die technischen und logistischen Abläufe im Re-Commerce sind denen im klassischen E-Commerce im Grunde recht ähnlich, wenn auch etwas komplexer. Die wirklichen Knackpunkte liegen an anderen Stellen. Zunächst einmal bedarf es eines umfangreichen In-House-Wissens und hohen Zeitaufwandes, um eingehende Gebrauchtartikel aller Art auf ihren tatsächlichen Zustand zu prüfen. Bei einem Buch mag das noch relativ simpel sein. Bei einem Tablet oder einer Spielekonsole sieht das schon etwas anders aus.
Hinzu kommt, dass der Re-Commerce margenschwach ist. Es muss also zwingend eine große Masse überschritten werden, um dieses Geschäft profitabel betreiben zu können, was wiederum zum Beispiel mit hohen Lagerkosten einhergeht. Und last but not least erfordert Re-Commerce wohl auch ein etabliertes Netzwerkes von B-Waren-Vertreibern im
In- und Ausland, die regelmäßig als Abnehmer von Artikeln in Frage kommen, die auf dem ersten Markt keine oder kaum Absatzchancen haben.
Ist Re-Commerce eine Option für dein Business?
Als Generalist in den Re-Commerce einzusteigen ist wegen der beschriebenen Knackpunkte für kleine und mittlere Shopbetreiber in aller Regel wohl keine lohnenswerte Option. Anders kann es in bestimmten Nischen aussehen. Wenn du dich als gelernter Uhrmacher zum Beispiel gut mit Armbanduhren auskennst, die wegen ihrer geringen Größe auch keine gigantischen Lagerkosten verursachen, kannst du durchaus einmal darüber nachdenken, für diese Marktnische auch Re-Commerce zu betreiben.
Die notwendigen technischen und logistischen Prozesse kannst du mit einigen Modifikationen mit deiner
VersaCommerce-Shopsoftware in deinem Online-Shop und im Backend abbilden.
Fazit
Der Re-Commerce hat als Geschäftsmodell im Gesamtumfeld des Online-Handels durchaus seine Berechtigung. Dies ist meines Erachtens schon aus
ökologischen Gründen so. Denn ich finde es allemal besser, wenn gebrauchte Artikel aller Art dem Warenkreislauf über ihre volle Lebensdauer erhalten bleiben als dass sie in Kellern verrotten und verrosten, bevor sie auf dem Müll landen. Hierzu kann der Online-Handel mit Gebrauchtwaren einen wichtigen Beitrag leisten.