Dr. Katja Flinzner

Personalisierung im Online-Shop: Top oder Flop?

Personalisierung ist eines der aktuellen Zauberworte im Online-Marketing. Dass es lohnen kann, Kunden gezielt anzusprechen, um aus der Masse der Angebote herauszustechen, ist inzwischen auch keine neue Erkenntnis mehr. Doch bislang sind Personalisierungsmethoden mehr im E-Mail-Marketing zu finden,

Personalisierung im Online-Shop: Top oder Flop?


Stationär = Service?

Wer im stationären Handel einkauft, kann mit ein bisschen Glück auf die Erfahrung eines geschulten Verkäufers zurückgreifen und sich entsprechend beraten lassen. Wobei es in der Servicewüste Deutschland wohl nur in kleinen Läden und glücklichen Ausnahmefällen vorkommen dürfte, dass man tatsächlich, wie Schreiber suggeriert, dank engagierter Beratung mit einem perfekt sitzenden Outfit aus dem Laden spaziert. In den USA sieht das zweifellos anders aus – nur zu gut erinnere ich mich an mein erstes Shopping-Erlebnis in einem kalifornischen Kaufhaus, in dem ich beinahe sprachlos war angesichts der Hilfsbereitschaft und Serviceorientierung der dortigen Mitarbeiterin, die mir eine Viertelstunde lang eine Jeans nach der anderen an die Umkleidekabine brachte. Ein regelrechter Kulturschock…

Aber gut, auch wenn der deutsche Handel diesbezüglich zweifellos Optimierungspotenzial hat, bleibt die Tatsache, dass menschliche Ansprechpartner, egal ob serviceorientiert oder nicht, in einem Online-Shop in der Regel fehlen. Auf meine persönlichen Bedürfnisse kann also niemand eingehen – oder?

Genau an diesem Punkt setzt die Personalisierung an und sagt: Doch! Auch der weit entfernt sitzende Shopbetreiber kann persönlich auf seine Käufer eingehen, er muss nur wollen – und wissen, wie.

Personalisierung als Konversionsbooster

Ein personalisiertes Shopping-Erlebnis erhöht die Konversionsraten von Online-Shops, dieses Ergebnis findet sich in so ziemlich jeder Studie zum Thema. Die E-Mail-Marketer von Mojn haben Gründe zusammengestellt, warum das so ist:

  • 75 % der Verbraucher mögen es, wenn sie personalisierte Nachrichten und Angebote erhalten.
  • 74 % der Online-Nutzer frustriert es, wenn sie Content angezeigt bekommen, der sie nicht interessiert.
  • 61 % der Verbraucher stellen den Wert guter Angebote über den Datenschutz.

(Screenshot: mojn.com)

Screenshot: mojn.com)

Doch Achtung, diese Zahlen beziehen sich auf den US-Markt und man darf ihre Übertragbarkeit auf deutsche Verbraucher durchaus anzweifeln. Zum Beispiel angesichts von Studien wie dem W3B-Report von Fittkau & Maaß aus dem vergangenen Jahr. Der kam zu dem Ergebnis, dass der deutsche Verbraucher an sich hin- und hergerissen ist zwischen der Bequemlichkeit personalisierter Angebote und dem Wunsch nach Schutz seiner persönlichen Daten. Gut 40 % der Befragten sprachen sich gegen Personalisierung aus, gut 40 % dafür und knapp 20 % waren unentschlossen. Das klingt durchaus anders als in den USA.

Wer nein sagt, meint auch nein?

Dennoch: Die gleiche Studie hat auch herausgefunden, dass Personalisierungsmaßnahmen in Online-Shops tatsächlich verkaufsfördernde Wirkung haben. Wollen deutsche Verbraucher also aus Datenschutzgründen eigentlich auf Personalisierung verzichten, lassen sich, wenn sie denn doch passiert, aber trotzdem davon beeinflussen? Häufig wohl schon, denn schließlich sind auch sie nicht gefeit vor der psychologischen Wirkung einer inhaltlich passenden Empfehlung. Dennoch sollten Shopbetreiber hier Vorsicht walten lassen, denn in dem Moment, in dem Nutzer sich einer Personalisierung bewusst werden, besteht durchaus die Gefahr, dass sie sie als negativ wahrnehmen und sich beobachtet fühlen – vor allem, wenn sie den Nutzen dahinter nicht erkennen.

Personalisierung ist also konversionssteigernd, kann Nutzer aber auch abschrecken. Was tun?

Wege aus dem Dilemma

Online-Shopper sind nicht dumm, sie wissen durchaus, dass sie für personalisierte Angebote mit ihren Daten bezahlen müssen. Und sie sind sich dessen vor allem dann bewusst, wenn sie das Thema eher kritisch sehen. In der Regel wollen sie deshalb gut darüber informiert sein, welche Daten von ihnen erhoben und wofür diese genutzt werden. Zentraler Bestandteil einer kundenorientierten Personalisierungsstrategie ist deshalb eine transparente Kommunikation: Informiere deine Kunden darüber, was du tust – und warum du es tust. Wenn du sie nach ihrer Lieblingsfarbe fragst, sag ihnen, dass du ihnen auf der Basis die passendsten T-Shirts anbieten kannst. Und gib ihnen immer auch die Möglichkeit, die Auskunft zu verweigern. Auch wenn du ihnen das Hinterlassen der Information natürlich besonders schmackhaft machst.

Vor allem aber: Biete ihnen einen echten Zusatznutzen. Kein Nutzer hinterlässt gerne Daten, wenn die Kaufempfehlungen, die er dafür bekommt, nicht über Staffel 2 der gerade frisch gekauften Serie hinausgehen. Wie aber kann man Zusatznutzen generieren?

Personalisierte Inhalte

Das Internet ist eine unendliche Informationsschleuder. Aus diesem unsortierten Haufen an Informationen die herauszufinden, die einen wirklich interessieren, ist für uns alle eine Herausforderung. Deshalb reagiert jeder Kunde positiv, wenn er mit Inhalten begrüßt wird, die seinen Interessen entgegenkommen.

Anstatt jedem Benutzer auf einer statischen Seite dieselben Inhalte anzuzeigen, kannst du auf Basis von Segmentierungen verschiedene Inhalte für bestimmte Zielgruppen anbieten. Tools wie Dyno helfen dir dabei. Besonders effizient lassen sich zielgruppenspezifische Inhalte mit E-Mail-Marketing-Methoden kombinieren: Dynamische Landingpages begrüßen jeden Besucher dann direkt mit für ihn relevanten Inhalten, anstatt mit Standardinformationen für Jedermann.

Einfach fragen

Deine Kunden wollen wissen, was du tust und warum du es tust. Sie wollen eine ehrliche, transparente Kommunikation. Also frag sie einfach, wenn du etwas wissen willst. Kurze (!) Fragebögen in die Shopping Experience zu integrieren, ist eine gute Möglichkeit, wenn du sie richtig verpackst. Besonders Mutige packen diese Fragebögen in den Checkout-Prozess und lassen eine Bestellung erst nach Beantworten zu. Ein kleines Hintertürchen für eher zurückhaltende Kunden schadet dabei allerdings nicht.

Was für ein Kaffeetrinker bist du? Craft Coffee steigt direkt mit einem kurzen Fragebogen ein. | Screenshot: craftcoffee.com

Was für ein Kaffeetrinker bist du? Craft Coffee steigt direkt mit einem kurzen Fragebogen ein. (Screenshot: craftcoffee.com)

Maßgeschneiderte Angebote

Der Checkout beim Kaufen von Kleidung ist der perfekte Moment, um einen Kunden nach genauen Körpermaßen zu fragen. Und er wird diese Frage noch nicht einmal aufdringlich finden, wenn das Ergebnis ist, dass er tatsächlich maßgeschneiderte Kleidung bekommt. Aber auch wenn du keine maßgeschneiderten Anzüge verkaufst, kannst du mit einer entsprechenden Datenbasis dafür sorgen, dass die bestellte Hose möglichst gut passt. Und beim nächsten Besuch schon die richtige Größe vorschlagen.

Umstritten, aber erfolgreich: Retargeting

Eine der Lieblingsmaßnahmen der Online-Marketer ist bei Internetnutzern ziemlich unbeliebt: das Retargeting. Von den auf (abgebrochene) Besuche in Online-Shops folgenden Werbeeinblendungen fühlen sich viele Kunden regelrecht belästigt und verfolgt, sagt der W3B-Report von Fittkau & Maaß. Besonders bei älteren Nutzern stößt diese Form der personalisierten Online-Werbung auf Ablehnung.

Dennoch scheint das In-Erinnerung-Bringen insgesamt mit Erfolg gekrönt zu sein, anders lässt sich zumindest schwer erklären, warum so viele Unternehmen diese Methode einsetzen. Den Erfolg des Retargeting mit Zahlen zu belegen, fällt vielen Unternehmen jedoch schwer, auch wenn Retargeting-Anbieter natürlich immer eine Studie in der Hinterhand haben, die den ROI der Maßnahme belegt…

Daten – aber die richtigen!

Wer seine Kunden persönlich ansprechen möchte, muss sie kennen. Das bedeutet: Für erfolgreiche Personalisierung, die für dauerhafte Kundenbindung sorgt, müssen Kundenprofile nicht nur angelegt, sondern auch gepflegt und vor allem ausgewertet werden. Die Segmentierung der Kundendatenbank in unterschiedliche Zielgruppen ist dabei einer der ersten Schritte hin zu einer zielgerichteten Kundenansprache. Auch hier ist aber der schmale Grat zwischen dem Zusammenstellen nützlicher Informationen und Datenkraken-Verhalten das Ziel. Wichtig dabei: Frage nur die Daten ab, die du auch tatsächlich brauchst! Wenn dir das Geburtsdatum deines Kunden gänzlich egal ist, dann frag auch nicht danach.

Echtzeit-Kommunikation

Übrigens: Eine recht einfache Methode gibt es noch, mit der ihr den Service-Mitarbeiter aus dem Ladengeschäft ersetzen könnt: Eine Chat-Option im Shop. Allerdings ist auch hier Zurückhaltung angesagt – die Möglichkeit gut sichtbar anbieten ja, den Besucher ungefragt ansprechen: definitiv nein! Während man die Frage „Kann ich ihnen helfen?“ im Laden in der Regel eher als freundlich, allenfalls (und vor allem im Wiederholungsfall) ein wenig nervig empfindet, kann es im Online-Shop schon mal passieren, dass Kunden fluchtartig den Shop verlassen, wenn ihnen plötzlich ein „Herzlich willkommen, wie kann ich Ihnen helfen?“-Fenster vor der Nase aufpoppt. Denn das Gefühl, beobachtet zu werden, mögen die wenigsten Nutzer.

Du willst mehr darüber wissen, wie du die richtigen Zielgruppen für deine Personalisierungsstrategien ermitteln kannst? In unserem Shop-Kompendium findest du viel Wissenswertes über Zielgruppen und das Arbeiten mit Personas.

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