VersaCommerce Team
Im ersten Teil habe ich geschildert, dass der Lebensmittelmarkt große Chancen für den Online-Handel bietet. Jetzt möchte ich aufzeigen, wo die Knackpunkte liegen und warum E-Commerce im Food-Shopping eine Zukunft hat: Wenn es dafür eine App gäbe
Der E-Commerce mit Lebensmitteln stößt dann an seine Grenzen, wenn es um frische Qualitätsartikel geht. Aus dem Sortiment des täglichen Bedarfs zählen hierzu beispielsweise Fleisch, Fisch, Obst und Gemüse. Entscheidend für eine Kaufentscheidung sind hierbei Qualität, Zustand und vor allem die Frische der Waren. Das führt zum ersten Problem: der Kühlkette.
Es scheint, dass keiner der im Food-Geschäft angetretenen Online-Händler bislang den Stein der Weisen hinsichtlich der flächendeckenden, schnellen, frischen UND profitablen Lieferung von verderblichen Lebensmitteln gefunden hat.
Eine nicht gefallende Jeans schicke ich zurück – ok, ärgerlich. Etwas anders sieht das schon mit gräulich schimmernden und etwas seltsam riechenden Steaks für mein Grill-Event mit Freunden aus. Geht gar nicht – und bestelle ich nie wieder!
Bei der Logistik ist es wichtig, zwischen Ballungszentren und dem ländlichen Raum zu unterscheiden. In Köln ist es wohl möglich, Dank vergleichsweise kurzer Wege, eine ausreichende Anzahl von Kunden in relativ kurzer Zeit mit frischen Lebensmitteln unter Einhaltung der Qualitätsanforderungen des Lebensmittelrechts – Stichwort Kühlkette – zu beliefern und dabei profitabel zu sein. In Ostwestfalen oder Mecklenburg-Vorpommern sieht das schon ganz anders aus.
Wenn diese Herausforderung nicht gemeistert wird, bleiben aber große Teile der deutschen Landkarte in Sachen Online-Food dauerhaft terra incognita. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass der Online-Handel, der sich ja seit Jahren durch eine extrem hohe Innovationskraft auszeichnet, diese Problematik mittels innovativer Logistiklösungen bald meistern wird. Hoffentlich.
Mir persönlich fallen zur Auswahl von frischen Lebensmitteln gemäß individueller Präferenzen die Shopping-Pingel in der Obst- und Gemüseabteilung ein. Ich zähle mich übrigens selber zu dieser Gruppe. Da werden gefühlte zwanzig Äpfel eingehend gedreht und gewendet und so auf etwaige Druckstellen und Farbgebung überprüft, bevor zwei der Früchte den Test schließlich bestehen und tatsächlich in den Einkaufskorb wandern. Der eine mag die Bananen eher weniger reif, der andere wiederum wie seinen Kaffee: schwarzbraun.
Ähnlich sieht es bei frischen Fleischwaren aus. Für das eine Rezept darf es ruhig etwas fetter sein, für andere Gerichte muss es wiederum möglichst fettfrei sein. Kurz gesagt: Die Entscheidungskriterien sind zahlreich, vielfältig und sehr abhängig von individuellen Vorlieben.
Wenn Kunden jedoch für einen beträchtlichen Teil ihres Einkaufs ohnehin in den Supermarkt müssen, weil sie die Ware sehen und möglicherweise auch anderweitig prüfen wollen, warum sollten sie dann den unkritischen Teil nicht auch direkt vor Ort kaufen, statt zusätzlich noch einen Online-Kauf mit Bestellvorgang und Liefertermin auf sich zu nehmen? Wie könnte man dieses Problem lösen?
TIPP: Der große E-Commerce Ratgeber |
Im Internet-Modehandel gibt es virtuelle Ankleidekabinen. Das bringt uns beim Food-Shopping nicht weiter. Dann wäre da noch das so genannte „Curated Shopping“, wo dem Einkäufer auf Händlerseite eine Beraterin oder ein Berater zur Seite steht. Wie könnte dieses Prinzip im virtuellen Supermarkt aussehen?
Mit einem Shopping-Berater, der dem Kunden per Helmkamera in Echtzeit die zur Auswahl stehenden Produkte online präsentiert und sich über Headset die Auswahl des Käufers einflüstern lässt? Auch eher unpraktikabel – aber möglich.
Bei Verbraucherbefragungen, wird der Online-Kauf von Lebensmitteln mit großem Abstand am häufigsten mit der Begründung abgelehnt: „Ich möchte die Ware sehen.“ Daher ist klar: Die App müsste in erster Linie die Visualisierung genau der Ware sicherstellen, die der Kunde dann auch tatsächlich geliefert bekommt. Augmented Reality könnte hier der Schlüssel sein.
Des Weiteren müssen natürlich Zusatzinformationen wie die Herkunft eines Produktes, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum und – für die richtigen Freaks – auch Dinge wie Nährwertangaben, enthaltene Zusatzstoffe und einiges mehr unkompliziert und übersichtlich zur Verfügung halten.
Last but not least muss eine wirkliche Killer-App all dies mit Blick auf die Profitabilität mit möglichst geringem menschlichem Einsatz leisten. Denn wir wissen, dass die Margen im Lebensmitteleinzelhandel einerseits sehr gering und die Kunden auf der anderen Seite zu allem Überfluss auch noch sehr preissensibel sind.
Die Entwicklung einer solchen Killer-App für den Online-Lebensmittelhandel ist ohne Zweifel eine anspruchsvolle Aufgabe für die Tüftler der E-Commerce-Szene. Frisch ans Werk – ich bin gespannt!
Wo seht ihr noch Schwierigkeiten und Hindernisse auf dem Weg zur Eroberung des Lebensmittelmarktes durch den Online-Handel? Augmented Reality oder doch lieber selbst vor der Gemüsetheke stehen?