Black Friday – Ursprünglich „Arme-Leute-Shopping“
Am Freitag nach Thanksgiving (dem vierten Donnerstag im November) geht’s jährlich in den USA los: Rabatte, Rabatte, Rabatte. Ein schöner Trigger, um einer konsumfreudigen Spaßgesellschaft den „offiziellen“ Beginn des Weihnachtsgeschäfts zu verkünden?
Weit gefehlt. In den vereinigten Staaten hat der Black Friday einen ernsten Hintergrund: Der stationäre Handel geht an diesem Tag mit äußerst großzügigen Rabatten auf Kundenfang. Ziel ist es dabei aber nicht, der Spaßgesellschaft einen öffentlichkeitswirksamen Startschuss für die Weihnachtseinkäufe zu geben, sondern vielmehr geht es US-Retailern darum, Käuferschichten zu erreichen, die man sonst gar nicht mehr erreichen würde: Arme Leute, die sich stundenlag in Warteschlangen einreihen, um an diesem Brückentag ihre Weihnachtseinkäufe zu erledigen.
Brückentage haben in den USA – dank eines durchschnittlichen Jahresurlaubs von gerade mal zwei Wochen – einen deutlich höheren Stellenwert als in Deutschland: Wer es sich leisten kann, verplempert diesen Tag nicht damit, sich in Einzelhandelsschlangen einzureihen, oder im Internet irgendwelchen zeitlich befristeten Schnäppchen hinterherzujagen, sondern verbringt die freie Zeit mit der Familie.
US-Händler haben also ursprünglich durch diesen radikalen Preishebel nicht das Massengeschäft im Blick, sondern eine einkommensschwache Zielgruppe, die Ihnen ansonsten entgehen würde.
Deutschland:„Schweinepreise“ sorgen für Sättigung und erhöhte Preissensibilität
Anders in Deutschland, hier werden der Black Friday und die folgenden Cyber Moday-Wochen in erster Linie als Startschuss für das Weihnachtsgeschäft aufgezogen und entsprechend beworben: Schnäppchen-Druck zum Fest als Teil einer neuen Online-Shopping-Popkultur, denn eine derartige soziale Schere wie in den vereinigten Staaten gibt es hierzulande nicht.
Dennoch gibt der heimische Online-Handel seit einigen Jahren mit Weihnachtsrabatten Vollgas, angetrieben von Amazon, die den Cyber Monday erfunden haben und diese Form des Power-Sellings mittlerweile über mehrere Wochen etabliert haben. Kampfpreise, mit denen man sich selbst, aber vor allem auch den Wettbewerb gehörig unter Druck setzt.
Wo aber über einen Zeitraum von 4 Wochen alles und jedes immer ein Schnäppchen ist, da macht sich auch irgendwann Sättigung breit: Im Dauerfeuer der Rabatt-Newsletter zum Fest vermag sich kaum ein Händler zu differenzieren und kundeseitig büßen Rabatte als Trigger immer mehr an Wirksamkeit ein. Warum dieses Angebot wahrnehmen, wenn der nächste Coupon schon in der Mailbox wartet? Und warum dann dieses? Oder das übernächste?
Egal ob Black Friday, Cyber Monday-Wochen, oder WSV: Rabattdruck führt ins Paradoxon der Wahlmöglichkeiten
Im Überangebot vermeintlicher Super-Schnäppchen, macht sich dann doch auf Verbraucherseite schnell Gelassenheit breit. Denn wenn es gerade überall in dieser Frequenz blinkt und kreischt, entscheidet man sich als Verbrauer im Zweifel wofür?
Am besten dafür, abzuwarten. Denn Schnäppchen sind zu dieser Zeit ja eh wie wie S-Bahnen: das nächste kommt bestimmt.
Im Zweifel entscheidet man sich dafür, sich nicht entscheiden zu müssen und trifft seine Kaufentscheidungen wieder nach Bedarf. Die Vorweihnachtszeit ist eh schon stressig genug (Besorgungen, Feiertagsplanung mit der Familie, Deadline für die Steuererklärung, etc.), da muss man sich nicht noch zusätzlich unter Druck setzen. Weihnachten ist halt Weihnachten und was die Preissensibilität betrifft, ist der Deutsche da dann doch eher im Modus „Urlaub“: Die Dinge dürfen ruhig das kosten, was sie kosten. Fertig.
Die Gewinner? Amazon, Gutschein- und Dealseiten. Wechselseitig.
Und wie lief es bei Euch, liebe Händler?
Wahrscheinlich werden im Nachhinein nicht wenigen, mit Blick auf ihre Bilanzen, im neuen Jahr gerade die Augen tränen. Viel hilft nicht immer viel, und wer verkaufsfördernde Maßnahmen dann forciert, wenn es die allgemeine Kauflaune gar nicht erfordert, muss sich über eine Schere zwischen Umsatz und Gewinn nicht wundern. Profiteure dieser neuen Schnäppchen-Welle zum Jahresende sind nicht „die Händler“, sondern nur einige wenige Marktteilnehmer: Amazon, das über temporären Preisdruck die Wettbewerber unter Druck setzt und sich mit der Keule kundenseitig allgemein als Preisführer zu positionieren vermag (was es in den wenigsten Kategorien wirklich ist). Und die großen Deal-Seiten. Die im Kontext des neuerlichen Black-Friday-Cyber-Monday-Week-Wahnsinns als Treiber und Hebel fungieren, indem sie alles und jedes zum Super-Schnäppchen aufblasen.
Und wer möchte es ihnen verübeln, eine einträglichere Form von Affiliate Marketing ist schließlich kaum vorstellbar. Denn die Provisionen der Mittler stehen, egal, ob die Händler-Margen in der Rabatt-Flut schmelzen und auch gänzlich unabhängig davon, ob bis zu 50 Prozent der Waren nach den Feiertagen wieder retourniert werden. Wie hoch der Einfluss der Deal-Seiten auf diese jüngere Entwicklung ist, lässt sich am Beispiel „Mydealz“ festmachen:
2,94 Prozent des gesamten deutschen Amazon Referral-Traffics im Zeitraum April 2013 bis September 2014 kam über diese Deal-Seite, im Weihnachtsgeschäft 2014 wird der Anteil noch höher gewesen sein. Verständlich, dass solche Seiten den aktuellen Trend zum Weihnachts-Schnäppchen feiern und durch entsprechenden Mediendruck forcieren.
Die Frage, die sich jeder Händler stellen sollte, ist also, wie weit er sich im Zusammenspiel solchen Katalysatoren und einem Verdrängungswettbewerb à la Jeff Bezos an solchen Aktionen beteiligen sollte. Denn trotz Unmut der Anteilseigner: Amazons primäres Ziel ist nach wie vor nicht „Gewinn“, sondern „Verdrängung“. Somit ist jeder Händler, der sich in diese Rabatt-Spirale zu Weihnachten reinziehen lässt und sich dabei zu sehr verausgabt, ein Gewinn für den Branchen-Primus.
Und wie lief euer Geschäft?