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Ausbildung im E-Commerce - Interview zum Stand der Dinge

Wie ist es eigentlich um die Ausbildung im E-Commerce in Deutschland bestellt? Dieses für die Zukunft des Online-Handels wichtige Thema haben wir für euch mit Martin Groß-Albenhausen besprochen, der das Thema Ausbildung beim Branchenverband bevh betreut

Ausbildung im E-Commerce - Interview zum Stand der Dinge

Der E-Commerce in Deutschland wächst nach wie vor dynamisch. Gleichzeitig wird der Online-Handel wegen des Wettbewerbsdrucks, der Kundenanforderungen und der rasanten technologischen Entwicklungen kontinuierlich professioneller. Die Anforderungen an Online-Händler werden immer komplexer. Shopbetreiber sind auf vielen Feldern gefordert: Neben kaufmännischen Kenntnissen ist Wissen in der IT, der Logistik, Marketing und Werbung, Recht und auf einigen anderen Feldern erforderlich.

Auch wenn der Einkauf über das Internet heute längst ein ganz selbstverständlicher Bestandteil unseres Alltages ist, so ist der Online-Handel dennoch eine vergleichsweise junge Branche. Dennoch erstaunt es angesichts des geschilderten Anforderungsspektrums, dass es bis dato keine offizielle Ausbildung für den Beruf des Online-Händlers oder E-Commerce-Kaufmanns gibt. Die Akteure, die sich heute als Shopbetreiber auf dem Markt tummeln, sind samt und sonders mehr oder weniger Self-Made-Shopbetreiber, die ihr Wissen in der Praxis durch „trial and error“ sowie private Weiterbildungen erworben haben.

Zu den Perspektiven der Ausbildung im E-Commerce stand uns Martin Groß-Albenhausen, zuständiger stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel (bevh), Rede und Antwort.

Es gibt bis heute keinen „offiziellen“ Ausbildungsgang für den E-Commerce. Ist das noch zeitgemäß?

Angesichts der zunehmenden Bedeutung von E-Commerce nicht nur im Einzelhandel, sondern an verschiedensten Punkten der Handels-Wertschöpfungskette, ist ein eigener Beruf längst überfällig. Zurecht kann man fragen, ob nicht besser klassische Ausbildungsberufe im Großhandel und Einzelhandel E-Commerce integrieren sollten. Praktisch würde dies jedoch die Inhalte zu sehr aufblähen – und viele Ausbildungsbetriebe, die selbst kein E-Commerce-Angebot haben, wären nur noch eingeschränkt zur Ausbildung befähigt.

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Welche Planungen gibt es für einen Ausbildungsgang im E-Commerce und wie ist der Stand der Dinge?

Der bevh hat seinen Entwurf für den neuen Beruf ab Herbst 2014 in Form gebracht. Der Handelsverband Deutschland als Vertretung vor allem der stationären Händler hat einen eigenen Entwurf vom April 2015 abgefasst. Im vergangenen November haben wir auf Arbeitgeber-Seite daraus ein gemeinsames Eckwertepapier entwickelt. Und es ist uns gelungen, eine aktiv kooperierende Arbeitsgruppe im Rahmen des Kuratoriums der deutschen Wirtschaft für Bildung (KWB) aufzubauen, in der die Verbände des Einzelhandels, des Groß- und Außenhandels und der Tourismusindustrie zusammen die verschiedenen Handlungsfelder im E-Commerce beschreiben. Dadurch ist sichergestellt, dass der E-Commerce eben nicht nur durch die Brille des stationären Händlers oder des Herstellers oder eben eines reinen Online- und Versandhändlers betrachtet wird. Wenn alles glatt geht, können wir im Sommer das ordentliche Neuordnungsverfahren aufnehmen, so dass im Sommer 2018 die ersten Schüler die Ausbildung beginnen.

Welche Vor- aber auch mögliche Nachteile brächte eine solche Ausbildung Ihrer Meinung nach für die Branche?

Ganz wichtig ist mir, dass hier ein Handelsberuf entsteht, der offen für jegliche kommende Form von „Commerce“ ist. Offen heißt vor allem, dass wir im Kern die Aspekte des Onlinemarketing und –Services, aber auch der im E-Commerce üblichen Aspekte etwa der Sortimentsbildung oder die Fragen der Logistik behandeln. In der Wirtschaft fehlen genau solche Fachkräfte, die in diesen Fragen fit sind – und das müssen keine Hochschulabsolventen sein. Solche Fachkräfte werden dann in jeglichem Handelsbetrieb die jeweils relevanten neuen Geschäftsmodelle mit betreiben. Und sie werden natürlich auch bei der Industrie begehrt sein.

Martin Groß-Albenhausen ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer des bevh

Martin Groß-Albenhausen ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer des bevh und steht uns Rede und Antwort zum Thema Ausbildung (Foto: bevh.org)

Welche Bedeutung messen Sie diesem Ausbildungsgang für die Nachwuchs- und Qualitätssicherung in der Branche bei?

Einen sehr hohen – wenngleich wir mit vielleicht 1000 Azubis starten werden. Gemessen an den heute im Einzelhandel ausgebildeten Fachkräften ist das sehr wenig, aber wir gehen davon aus, dass wir hier nichts weniger als die Ausbildung für den „neuen Handel“ entwickeln werden. Auf einer Tagung sagte kürzlich ein Einzelhändler, der selbst in einem Einzelhandelsverband eine hohe Funktion inne hatte, dass er keine Einzelhandelskaufleute mehr ausbildet, weil diese einfach nicht mehr das Wissen mitbringen, das er für sein Geschäft braucht. Und er stellte die Frage, ob es nicht für viele Jugendliche nachher attraktiver sein könnte, einen „E-Commerce-Beruf“ zu erlernen. In puncto Qualität bringt der neue Beruf einfach eine Basis, die für modernen Handel geschaffen ist: Die Ausbildung vermittelt, wie Produktdatenqualität, Kundenservice-Qualität, Fulfillment-Qualität gewährleistet wird.

Sehen Sie für die Zukunft die Gefahr, dass in Deutschland nur noch die- oder derjenige einen Online-Shop betreiben darf, der diesen oder einen vergleichbaren offiziellen Ausbildungsgang absolviert hat?

Warum sollte das passieren? Heute können ja auch Leute einen Laden eröffnen, die keine kaufmännische Ausbildung im Einzelhandel gemacht haben. Auch ohne Ausbildung im Groß- und Außenhandel beginnen Unternehmer ein Import/Export-Geschäft. Wir wollen eine niedrigschwellige, aber qualitativ hochwertige und umfassende Ausbildungsmöglichkeit für die Branche bieten. Die E-Commerce-Kauffrau bzw. der E-Commerce-Kaufmann sollen begehrte Fachkräfte sein, die gerne in Handelsunternehmen eingesetzt werden – aber nicht aus regulatorischen Gründen, sondern weil sie einfach für den Job die Richtigen sind.

Welche Möglichkeiten gibt es heute schon für aktive Online-Händler, sich berufsbegleitend gezielt fortzubilden?

Es gibt eine Vielzahl von Weiterbildungsmöglichkeiten im privaten Sektor. Wir selbst bieten gemeinsam mit der Rid-Stiftung den „Zertifizierten E-Commerce Manager“ an und mit der Steinbeis-Hochschule und der Firma dotSource gemeinsam eine E-Commerce-Manager-Fortbildung, die sogar Punkte für ein weiterführendes Bachelor-Studium vergibt. Und da ich dort zum Teil selbst schule und die Prüfungen abnehmen, sehe ich, dass sich in beiden Kursen über den mehrmonatigen Zeitraum wirklich exzellente E-Commerce-Fachleute entwickeln.

Es gibt auch Hochschulen, etwa die FH Wedel, die Universität Worms oder die Universität Hof, die Studiengänge im E-Commerce bzw. Cross-Channel-Management anbieten. Allerdings gibt es keinen „Kanon“ der Qualifikationen. Das wollen wir in diesem Jahr allmählich ändern und werden am 16. Juni in Berlin einen ersten „Fachkräfte-Tag“ veranstalten. An diesem Tag sollen die Interessen und Bedürfnisse der Wirtschaft mit den Ausbildungsangeboten gematcht werden. Davon ausgehend planen wir die Erstellung eines „Ausbildungs-Atlas“, in dem Unternehmen sehen, wo sie die für ihren Bedarf richtigen Absolventen finden – oder eigene Mitarbeiter hin entsenden

Online Shop erstellen

Wie werden solche Angebote von aktiven Online-Händlern Ihrer Erfahrung nach angenommen und wie ist die Resonanz?

Aller Anfang ist schwer – das war die Lehre aus den ersten Jahren beispielsweise an der FH Wedel. Am Anfang kamen nur wenige Studenten, weil keiner sich wirklich etwas unter dem Studiengang vorstellen konnte. Heute ist es ein etablierter und gern gewählter Studiengang. Unsere Fortbildungs-Kurse bedeuten zeitliches und finanzielles Invest, das Mitarbeiter und Unternehmen tragen müssen. Dennoch sind jedes Jahr kleine und große Unternehmen, übrigens stationäre Händler, etablierte Versandhändler und auch reine Onlinehändler aus B2C und B2B bereit, ihre Mitarbeiter dorthin zu entsenden. Ich würde mir natürlich eine größere Nachfrage wünschen. Qualifikation ist teuer, und nicht jeder ist willens und in der Lage, sich das zu leisten. Wer aber nur ein bisschen realistisch in die Zukunft blickt, wird erkennen, dass er ohne Konzentration auf E-Commerce-Qualifikation in seinem Unternehmen kaum überlebensfähig sein wird.

Herr Groß-Albenhausen, wir bedanken uns für dieses interessante Gespräch.

Fazit

Führt man sich die Bedeutung der Rolle vor Augen, die der E-Commerce als Branche heute bereits spielt, ist es schon bemerkenswert, dass das Ausbildungswesen für diesen Beruf noch derart in den Kinderschuhen steckt. Ich möchte hier keineswegs die Qualifikation der vielen klugen und fleißigen Shopbetreiber in Frage stellen. Jedoch erscheint es mir höchste Zeit, dass dem Berufsbild des Online-Händlers oder E-Commerce-Kaufmanns klare Konturen gegeben werden. Dies könnte auch ein Beitrag dazu sein, dem von vielen Fachleuten prognostizierten Sterben von vielen kleinen und mittleren Webshops in den kommenden Jahren im Rahmen der so genannten Branchenkonsolidierung entgegenzuwirken.

Wie ist eure Meinung zu diesem Thema? Sucht ihr vielleicht selber gerade einen Job im E-Commerce?

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