Udo Kraft
Auch in diesem Jahr gibt es wieder weitreichende gesetzliche Neuerungen für Online-Händler. Das IT-Sicherheitsgesetz ist bereits in Kraft, das neue Elektrogesetz dürfte bald folgen. Auf Shop-Betreiber kommt Einiges zu: Angriffspunkte für die Abmahn-Industrie
Seit dem 25. Juli 2015 ist das IT-Sicherheitsgesetz (IT-SiG) in Kraft, das Änderungen des Telemediengesetzes (TMG) zur Folge hatte. Betreiber von geschäftsmäßigen Telemedien (wozu Webshops stets zählen) sind nunmehr verpflichtet, Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, um den unerlaubten Zugriff auf das Telemedium (also den Shop) und Störungen – auch von außen – zu verhindern. Zusätzlich sind die personenbezogenen Daten der Kunden zu schützen.
Welche konkreten Maßnahmen dafür erforderlich sind, lässt das Gesetz – wie so oft – völlig offen. Beispielhaft genannt werden lediglich „anerkannte Verschlüsselungsverfahren“. Ob etwa SSL-Zertifikate den gesetzlichen Anforderungen gerecht werden, wird sich deshalb erst im Laufe der Zeit zeigen. In jedem Fall müssen die Vorkehrungen dem Stand der Technik entsprechen.
Um Einzelfälle flexibel handhaben zu können, lässt das Gesetz Ausnahmen von der Sicherungspflicht zu. Nämlich dann, wenn deren Umsetzung technisch unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar ist. Bei der Erhebung und Verarbeitung weniger sensibler Kundendaten dürften daher geringere Ansprüche an die Sicherungsvorkehrungen zu stellen sein, als wenn es um den Schutz von Bank- und Zahlungsdaten geht.
Dennoch werden wohl alle Shop-Betreiber in einem bestimmten Umfang Maßnahmen ergreifen müssen. Sei es nur durch regelmäßige Installation von Sicherheitspatches zur Schließung von Sicherheitslücken im verwendeten Shopsystem. Andernfalls drohen Bußgelder, möglicherweise auch Abmahnung oder sogar Schadenersatzansprüche von Kunden, deren Daten von Dritten abgegriffen und missbraucht wurden.
Welche Sicherungsmaßnahmen im Einzelnen von Shop-Betreibern zu ergreifen sind, wird sich erst zeigen müssen.
Unternehmer, die Elektro- und Elektronikgeräte (EG) anbieten, werden in naher Zukunft ebenfalls neue rechtliche Pflichten einzuhalten haben. Vor allem Online-Händler dürfte das vor große Herausforderungen stellen. Denn auch sie werden verpflichtet, alte Elektro- und Elektronikgeräten (EAG) zurückzunehmen. Das Gesetz ist am 24. Oktober dieses Jahres in Kraft getreten.
Shop-Betreiber mit einer Lager- und Versandfläche für EG von 400 m² oder mehr müssen funktional vergleichbare EAG beim Kauf eines Neugerätes zurücknehmen (1:1-Rücknahmepflicht). Unabhängig von einem Neukauf müssen auch EAG, die in keiner Ausmessung größer als 25 cm sind, zurückgenommen werden (0:1-Rücknahme). Entsprechende Rücknahmestellen müssen in zumutbarer Entfernung zum Nutzer eingerichtet werden; für den Online-Handel heißt das: deutschlandweit!
Die Frage ist, wie Online-Händler diese Pflicht erfüllen sollen. Die Gesetzesbegründung schlägt u.a. Kooperationen mit dem stationären Handel vor. Das würde bedeuten, die Konkurrenz um einen Gefallen zu bitten. Ob und zu welchem Preis das in der Praxis umzusetzen ist, bleibt abzuwarten. In „zumutbarer Nähe“ befinden sich auch die Annahmestellen von Transportdienstleistern, wie der DHL. Da die Rücknahmestellen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen, könnten auch hier Schwierigkeiten, zumindest aber Kosten für den Händler entstehen.
Die Rücknahme ist ebenfalls mittels Rückversand der EAG möglich. Für den Transport von Abfall (was EAG sind) müssen aber besondere Voraussetzungen eingehalten werden, die weit über die Kennzeichnung entsprechender Transportfahrzeuge hinausgeht. Auch diesbezüglich müsste der Shop-Betreiber Vereinbarungen mit dem von ihm genutzten Transportunternehmen treffen.
Als zusätzlichen Service kann der Shop-Betreiber auch anbieten, die EAG beim Endnutzer abzuholen. Derartige Holsysteme befreien jedoch nicht von der Pflicht, Rücknahmestellen einzurichten. Die Wertstoffhöfe der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (örE) dürfen übrigens nicht einfach als Rücknahmestelle angegeben werden. Entsprechende Absprachen mit diesen sind jedoch erlaubt.
Die eingerichteten Rücknahmestellen muss der Unternehmer der „zuständigen Behörde“, also dem Umweltbundesamt, anzeigen. Gegenüber der „gemeinsamen Stelle“, der Stiftung EAR, muss er u.a. mitteilen, wie viele EAG er zurückgenommen hat und wie er mit diesen weiter verfahren ist.
Weitere Informationspflichten treffen den Shop-Betreiber gegenüber „privaten Haushalten“. Das sind nicht nur Verbraucher, sondern beispielsweise auch Gaststätten, Schulen, Behörden oder andere Gewerbetreibende, solange die dort anfallenden EAG in Menge und Beschaffenheit mit denen aus Privathaushalten vergleichbar sind.
Welche Folgen ein Verstoß gegen die neuen Vorgaben haben kann, ist derzeit nicht abzusehen. Die Verletzung der Rücknahmepflicht ist zumindest nicht bußgeldbewehrt. Ob wettbewerbsrechtliche Abmahnungen drohen, hängt davon ab, ob die neuen Vorschriften dazu bestimmt sind, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln. Das muss zunächst gerichtlich geklärt werden.
Die gesetzlichen Neuerungen bieten wieder reichlich Angriffspunkte für die Abmahn-Industrie. Ob deshalb jedoch eine Abmahnwelle droht, ist zweifelhaft. Denn zunächst muss geklärt werden, ob gegen entsprechende Verstöße mit wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen überhaupt vorgegangen werden kann. Online-Händler sollten dennoch aktiv werden!
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