Dr. Katja Flinzner

Rein ins Wachstum: 5 Fragen an Growth Hacker Hendrik Lennarz

Growth Hacking – schon mal gehört? Wenn nicht, hilft euch unser Einführungsartikel „Was ist eigentlich Growth Hacking – und brauche ich das?“ sicherlich weiter. Oder ihr lasst euch direkt von einem echten Growth-Hacking-Profi aufschlauen. Wir haben nämlich im Interview Hendrik Lennarz für euch

Rein ins Wachstum: 5 Fragen an Growth Hacker Hendrik Lennarz
Hendrik ist Executive Director of Product & Technology bei Trusted Shops, leidenschaftlicher Growth Hacker und Autor des ersten deutschen Growth Hacking E-Books „Growth Hacking für Non-Startups“. Im Interview erzählt er uns, wie Growth Hacking auch in etablierten Unternehmen für Startup-Atmosphäre sorgen kann – und wie ihr als Shopbetreiber von der Methode profitieren könnt. Du bist seit fast 10 Jahren Growth Hacker – wusstest es nur nicht. Wie konnte das passieren? Als ich Anfang 2014 einen Artikel auf techcrunch las, fiel mir das Wort “Growth Hacker” direkt ins Auge. Cooles Wort, gute Headline, draufgeklickt und durchgelesen. Schnell wusste ich, das ist kein gewöhnlicher Blogpost für mich. Denn erstmalig fand ich meine persönliche Jobbeschreibung runtergeschrieben. Growth Hacker - cooler Jobtitel, dachte ich mir. Leider hatte ich bislang nie einen adäquaten Namen für meinen Beruf gefunden. Produkt Manager, Projektmanager,  Customer Experience Manager, SEO, SEM, Social Media Manager, Product Marketing Manager, Developer, Information Architect, Process Analyst, Data Analyst, Entrepreneur, Performance Marketing Manager, UX Designer usw. Alles habe ich schon gemacht und all das begleitet mich heute glücklicherweise immer noch jeden Tag. Denn ich liebe all diese Disziplinen - jede im Einzelnen, aber noch viel mehr im Zusammenspiel. Das heißt, Growth Hacking ist eher ein Sammelbegriff als eine neue Methode? Das ganze Tun rund um “Maximal viele glückliche Nutzer gewinnen, möglichst automatisiert und auf Nutzungsdaten basierend” nennen die Amerikaner jetzt zusammengefasst “Growth Hacking”. Darunter verbergen sich die gewohnten Themen, wie man Internet-Unternehmen erfolgreich macht. Social Media, Online-Marketing, Analytics zum Beispiel. Und natürlich die Frage, wie man sein Produkt erfolgreich auf dem Markt anbietet. Durch die fortgeschrittene Technologie sind jedoch mittlerweile einige Tricks möglich, wie man Zielgruppen besser erkennen und ansprechen kann – ein wichtiger Teil des Growth Hackings. Bislang wird Growth Hacking hauptsächlich von Startups eingesetzt. Können denn auch klassisch gewachsene Unternehmen davon profitieren? Und was muss ein Unternehmen mitbringen, um Growth Hacking einsetzen zu können? Das Arbeiten in einem Startup unterscheidet sich natürlich deutlich von der Arbeit in „etablierten“ Unternehmen. Auf der einen Seite quantitativ, zum Beispiel anhand der Anzahl der Mitarbeiter sowie Anzahl und Art der Stakeholder, Märkte, Systeme und Prozesse. Auf der anderen Seite gibt es aber auch qualitative Unterschiede, etwa bei den Themen Markenbekanntheit, Positionierung im Markt, Trägheit, Länge der Mitarbeiterzugehörigkeit, Mitarbeiterloyalität etc. All diese Aspekte sind nicht in sich besser oder schlechter – eine größere Anzahl Mitarbeiter beispielsweise kann einerseits Fluch, andererseits Segen sein. Schaut man sich die klassischen Growth Hacks an, wird schnell klar, dass es in einem Startup wesentlich einfacher zu sein scheint, diese „mal gerade“ zu implementieren und zu testen. Aber man kann fast alles auch in größeren Unternehmen hinbekommen. Wichtig ist, dass man sich auf die wirklich wichtigen Dinge fokussiert, sich das „Growth Hacking Mindset“ der stetigen Verbesserung immer und immer wieder vor Augen führt und den vollständigen Support der Geschäftsführung hinter sich hat. Vor allem die Existenz „eigener” ständig verfügbarer Experten wie Developer, Designer, Juristen, Texter und Co. muss zu einem Vorteil der Non-Startups gemacht werden. Dafür ist die richtige Organisationsform entscheidend, denn Ressourcen-Pitching mit Themen, die nichts mit „User Growth” zu tun haben, ist nicht sinnvoll. Nach meiner Erfahrung ist hierfür der Aufbau agiler und autark agierender Scrum-Teams unerlässlich. Was sind Scrum-Teams? „Scrum“ ist ein Prozessmodell für Projekt- und Produktmanagement, das gerne in der Softwareentwicklung eingesetzt wird. Scrum unterscheidet drei klar definierte Rollen - den Product Owner, das Entwicklungsteam und den Scrum Master, die jeweils in einem Scrum Team zusammenarbeiten. Mehr Infos zu Scrum findet ihr z. B. unter scrum-kompakt.de oder unter scrum.org (Englisch). Genau auf diese Aspekte gehe ich in meinem E-Book „Growth Hacking für Non-Startups“ genauer ein. Ich möchte damit für Unternehmer das Bewusstsein schaffen, dass Growth Hacking in Non-Startups gegenüber Growth Hacking in Startups in der Realität ein wirklich riesiger Unterschied sein kann. Warum gibt es eigentlich keine Literatur mit dem Titel „Change Management für Startups”? Dreimal dürft ihr raten… Wie sieht es denn mit Growth Hacking für Online-Shops aus? Kannst du unseren Shopbetreibern Tipps für Growth Hacks geben, von denen man im E-Commerce besonders profitieren kann? Die Liste an Growth Hacks für Online-Shops ist mittlerweile endlos lang, Gott sei Dank. Shopbetreiber, die sich mit dem Thema beschäftigen, werden wahrscheinlich die Schwierigkeit haben, sich für genau die richtigen Growth Hacks zu entscheiden. Ich empfehle zum Start immer folgende:
  1. Split-Tests der wichtigsten Landingpages: Ihr habt eine tolle Landingpage mit super Design und einem Registrierungs-Formular. Glaubt ihr zumindest. Ihr habt auch schon ordentlich Besucher darauf - vielleicht sogar über Google Adwords teuer eingekauft. Leider konvertiert die Landingpage nicht. Statt weiter Besucher draufzuschaufeln, solltet ihr umgehend damit starten, einzelne Punkte der Page gegeneinander zu testen. Beginnt beispielsweise mit einer Vereinfachung des Formulars. Weiter geht‘s mit eurem Text, euren Headlines. Was macht euch besser als die Konkurrenz? Was sind eure Top-Features? Und testet bitte alles fleißig mit einem professionellen Testing-Tool wie Optimizely oder dem Google Website Optimizer. Ihr werdet sehen: Es dauert seine Zeit, aber konsequentes Testen erhöht die Konversionsrate und damit die Anzahl der Registrierungen.
  2. Nutzt Up- und Cross-Selling: Vergesst nicht die Reichweite, die ihr mit eurem eigenen Produkt habt. Eure Zielgruppe bewegt sich heute schon in eurem Produkt bzw. auf eurer Website und ist somit auch perfekt geeignet, entweder weitere Features zusätzlich zu nutzen (Up- bzw. Cross-Selling) oder dafür zu sorgen, dass neue Nutzer davon erfahren, genau wie bei Hotmail damals.
  3. Die interne Suche: Mit dem Web-Tracking-Tool sollte man die Sucheingaben der internen Shop-Suche einmal überprüfen. Was wird dort am häufigsten eingegeben? Diese Keywords scheinen den Shop-Besuchern besonders wichtig zu sein. Also bitte die Top-Keywords selber in die Suche des eigenen Shops eingeben und mal schauen, was die eigene Produktsuche so zu bieten hat. Hier gibt es quasi immer Optimierungspotenziale. Suchergebnisseiten mit “Produkt nicht gefunden”, “Produkt nicht mehr im Sortiment” oder nicht passenden Produkten sind leider keine Seltenheit. Wird eine passende Produktseite gefunden, so eignen sich diese Top-Keywords auch immer dafür, die Produktseite auf genau dieses Keyword hin zu optimieren. Schließlich suchen die User offensichtlich genau danach – das werden sie in Google höchstwahrscheinlich genauso machen.
Du hast in deinem Team den Slogan „Valid data for valid decisions“ etabliert. Kannst du uns genauer erläutern, was dahinter steckt? Valide Daten zu haben, ist für jeden Growth Hacker enorm wichtig, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Deshalb ist die zentrale Grundlage für alle Growth Hacks immer ein funktionierendes Web Tracking. Dabei gilt es gerade in Online-Shops, zunächst die Basics sicherzustellen, denn auch hier schleichen sich schnell Fehler ein. Neben den Standard-Auswertungen wie Traffic, Page Impressions, Verweildauern, Traffic pro Kanal und so weiter muss die tägliche Aufgabe eines Shopbetreibers der Check der Konversionsraten sein. Ich rede bewusst von Konversionsraten, dem Plural. Natürlich gibt es eine totale Konversionsrate des Online-Shops. Aber mindestens genauso wichtig ist die Analyse der einzelnen Konversionsraten pro Marketing-Kanal. Nur so kann eine Aussage getroffen werden, welcher Marketing-Kanal denn wirklich der effektivste ist. Oftmals kommt über einen Kanal zwar viel Traffic, der Traffic konvertiert aber aus einem bestimmten Grund leider nicht. Gut zu wissen für jeden Growth Hacker. Leider muss man für die meisten Marketing-Kanäle gesonderte Konversions-Tracking-Codes in die Shop-Templates einbauen. So sollten zum Beispiel Tracking-Pixels für Facebook-Ads, Google Adwords, Google Analytics und das E-Mail-Marketing-Tool zukünftig unbedingt berücksichtigt werden. Sonst fließt das teure Marketing-Budget weiterhin ins Leere, ohne dass ihr wisst, wo es wirklich effizient genutzt wird. Vielen Dank für das Interview, Hendrik!
VersaCommerce kostenlos testen.