Christof Steinke

Storytelling im E-Commerce: Mit Geschichten überzeugen

Neurowissenschaftler sagen uns, dass wir Kaufentscheidungen zu 95% auf emotionaler Basis treffen. Der Blick auf Verkaufstechniken, die psychologische Effekte berücksichtigen, lohnt daher immer wieder. Das Erzählen von Geschichten (englisch: Storytelling) ist eine der ältesten Werbeformen, aber im E-

Storytelling im E-Commerce: Mit Geschichten überzeugen

Beginnen wir mit einer Figur

Diese klassische Methode der Aufbereitung habe ich selbst verwendet, um bei Vorträgen das etwas dröge Thema Web-Analyse zu vermitteln. Es ging um Kennzahlen für Web-Besucher: Conversion Rates, Absprungraten und so weiter. Die Gefahr, sich hier in einer Mathestunde zu verlieren, lag auf der Hand.

Also erfand ich Dieter, den Marketing-Chef einer fiktiven Website, der richtig Ärger mit seinem Chef bekommt, weil seine Website nicht so gut verkauft wie die der Konkurrenz. Am Ende gewinnt Dieter durch die Web-Analyse seinen Jahresbonus zurück.

„Dieter“ wurde von einem Kollegen gespielt, die Foto-Session dauerte eine Stunde, denn wir hatten ein Drehbuch und wussten genau, welche Aufnahmen wir brauchten.

Ich habe viele entspannte und erfolgreiche Kundengespräche nach diesen Präsentationen geführt – und nach der Veranstaltung war klar, dass die Teilnehmer ganz bestimmt am nächsten Tag ihren Kollegen von diesem Vortrag erzählen würden.

… so, mit dieser kleinen Geschichte habe ich Ihnen gezeigt, dass ich etwas zum Thema Storytelling zu sagen habe. Die Geschichte erscheint Ihnen wahr (ist sie auch), denn ich habe Ihnen auch „Beweisfotos“ in Form einiger Vortragsfolien gezeigt.

Authentisch erzählen und Abbildungen einsetzen sind also auf jeden Fall wichtige Zutaten für eine glaubhafte – und damit wirksame – Geschichte. Aber was gehört noch dazu?

Die wichtigsten Zutaten einer guten Geschichte

Geschichten leben von Spannung. Ein Konflikt muss her, der am Ende aufgelöst wird. Und es muss um Menschen gehen, na gut – eventuell auch um (niedliche) Tiere.

Weitere wichtige Regeln:

Halte es einfach. Nicht zu viele Figuren, nicht zu viele Erklärungen.

Halte es kurz. Im Web können die Leser sofort wegklicken, wenn es langweilig wird.

Starte mit einem Kracher. Nur dann wird die Geschichte gelesen.

Arbeite mit starken Bildern. Die besten Geschichten sind Bildergeschichten mit wenigen Worten.

Mache es witzig. Wenn deine Leser lachen, hast du gewonnen.

Die Figur Dieter war auch deshalb erfolgreich, weil sie Schwächen hatte. Zu Beginn ist Dieter überheblich, sonnt sich in seinem Titel als Marketing-Leiter. Am Ende schreit er seine Agentur zusammen und schiebt die Schuld auf den externen Dienstleister – und gewinnt, weil er trotz allem clever ist (und natürlich das richtige Tool einsetzt, es ging ja hier schlussendlich um Werbung).

Die Zuschauer haben sich in der Figur in ihrem Arbeitsalltag wieder erkannt. Druck vom Chef, einen Sündenbock suchen … das sind Dinge, die sie kennen – und über die sie lachen müssen, wenn es einem anderen passiert.

Die Aufbereitung

Wie gesagt, am besten funktionieren Geschichten mit Bildern, zu denen nur noch wenig Text notwendig ist. Die Bilder gliedern die Geschichte in Abschnitte, die unter einander angeordnet werden können. Bei einer guten Geschichte WOLLEN die Leser weiter nach unten scrollen, um die nächsten Abschnitte zu sehen. Man spricht daher inzwischen auch vom „Scrollytelling“.

Es muss auch nicht immer eine passive Erzählung sein, die Betrachter können auch direkt angesprochen werden, ähnlich, wie bei einem Verkaufsgespräch. Hier gilt die Regel: „Wer fragt, der führt.“ Es werden Fragen gestellt, die darauf abzielen, sich Zustimmung abzuholen.

Hier ein einfaches Beispiel:

Fahrrad-Story

Wer die beiden Fragen mit „Ja“ beantwortet, der wird das folgende Angebot viel mehr würdigen, als wenn ohne Einleitung der Service direkt beschrieben würde: „Fahrradservice – wir machen Ihr Bike wieder fit.“

Die Anlässe für Geschichten im Shop

Geradezu prädestiniert für das Erzählen ist die Seite „Über uns“. Aber bitte denken Sie daran, dass niemand eine gelackte Erfolgsgeschichte lesen möchte. „Veni, vidi, vici“ wirkte schon bei Cäsar ein klein wenig überheblich, oder?

Erzählen Sie uns lieber von Ihren größten Problemen in der Startphase, zeigen Sie, wie Sie beim letzten Geburtstag die Torte ins Gesicht bekommen haben. Wer über sich selbst lachen kann und seine menschliche Seite zeigt, der wird uns sympathisch.

Natürlich soll auch Ihre Kompetenz für das Sortiment vermittelt werden, aber wie schon im ersten Satz gesagt: Zu 95% entscheiden wir beim Kauf emotional.

Auch Landing-Pages bieten die Möglichkeit, über eine Geschichte die Vorteile des Angebots zu zeigen. Ein schönes Beispiel zum Scrollytelling nach dem Prinzip „Problem-Lösung“ ist dieser Shop für Brieftaschen. Einfach mal klicken und scrollen.

Bellroy

Produktseiten selbst sind von ihrer Struktur her oft nicht geeignet längere Geschichten zu erzählen. Was aber hier sehr gut funktioniert, ist das Kunden-Statement, das sind Erfahrungsberichte und Rezensionen.

Wenn es Ihnen gelingt, eine Kundenstimme auf Video zu bekommen, nach Möglichkeit auch noch mit dem Produkt in Aktion: Perfekt!

Die Sozialen Medien eignen sich natürlich auch sehr gut zum Erzählen kurzer Geschichten. Die großen Marken haben dies auch mit unendlich vielen Preisausschreiben zu „Deiner besten Story mit Produkt X“ schon lange für sich entdeckt.

Trotzdem sind Facebook und die bildorientierten Plattformen wie Pinterest, Tumblr oder Flickr sehr gut geeignet, immer wieder mal kurze Stories rund um Ihr Sortiment, Ihre Kunden oder lustige Begebenheiten aus dem Alltag zu veröffentlichen.

Und selbst mit Werbe-Bannern können Geschichten erzählt werden.

Und die Ideen?

Immer wieder höre ich: „Bei uns gibt es nicht Spannendes zu erzählen.“ Das stimmt ganz bestimmt nicht! Sie sind wahrscheinlich bloß betriebsblind. Für Außenstehende ist die Tatsache, dass Sie einen Online-Shop betreiben total interessant. Und für Kunden, die sich ja aktiv für Ihr Sortiment interessieren und deshalb Ihren Shop besuchen, gilt dies natürlich erst recht.

Daher jetzt die letzte Geschichte: Stellen Sie sich vor, wir lernen uns auf einer Party kennen. Wir stehen beide mit unserem Lieblingsgetränk in der Küche und nach einigen Bemerkungen über dies und jenes finden wir uns nett und ich frage: „Und? Was machst Du so beruflich?“ Dann sagst Du: "Oh, ich betreibe einen Online-Shop ..." Und dann stehen wir noch eine ganze Weile in der Küche unseres Gastgebers – und erzählen.


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