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​Aufreger der Woche: Amazon bezahlt Marktplatzhändler nicht

Amazon leistet seit mehreren Tagen keine Zahlungen an viele Marktplatzhändler. Zahlreiche Existenzen sind gefährdet. Grund seien technische Probleme. Ich sage: So geht es nicht

​Aufreger der Woche: Amazon bezahlt Marktplatzhändler nicht

Es ist der Aufreger der Woche im E-Commerce: Amazon zahlt seit über einer Woche gegen alle vertraglichen Verpflichtungen viele seiner Marktplatzhändler nicht aus. Immer mehr im Onlinehändler berichten, dass seit gut einer Woche Amazon Gelder nicht mehr an Händler auszahlt. Das betrifft auch Gelder aus Verkäufen von Marktplatzhändlern, die ordnungsgemäß abgewickelt, also ausgeliefert und vom Kunden auch bezahlt sind. Auch nach wiederholter Kontaktaufnahme mit Amazon erhalten die Händler nur einen Hinweis, dass eine Technik-Panne vorliegt. Eine Lösung wie zum Beispiel Abschlagszahlungen wird von Amazon bislang nicht angeboten.

Viele Online-Händler, die über den Amazon Marketplace verkaufen und dort große Teile ihres Umsatzes machen, sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Denn deren Kosten laufen weiter. So, liebe Freunde von Amazon, geht es nicht!

Amazon Marketplace ist attraktiv – wenn er funktioniert

Wir haben hier schon mehrfach darüber berichtet und sind uns auch mit Marktplatzexperten wie Mark Steier einig, dass der Amazon Marketplace für viele Online-Händler nicht nur attraktiv, sondern beinahe schon ein Muss ist. Dazu stehen wir grundsätzlich auch, denn der Marktplatz bietet Shopbetreibern Zugang zu einem riesigen Kundenpotenzial, das sie im Alleingang nie und nimmer erreichen könnten. Diese positive Bewertung setzt allerdings unabdingbar voraus, dass die Geschäftsbeziehung zwischen Amazon und Marktplatzhändler funktioniert und beide Seiten ihre vertraglichen Verpflichtungen einhalten. Das ist aktuell aber absolut nicht der Fall.

Die rechtliche Lage ist klar – Amazon ist im Unrecht

Wolfgang Wentzel, Justitiar des Bundesverband Onlinehandel e.V. (BVOH) beschreibt die aktuelle rechtliche Situation so:

„Amazon hat kein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Verkäufer, so lange und so weit der Verkäufer seine Verpflichtungen gegenüber Amazon und dem Endkunden erfüllt (§ 273 Abs. 1 BGB). Wird ein Zurückbehaltungsrecht grundlos und noch dazu von einem wirtschaftlich Überlegenen gegenüber einem von ihm Abhängigen ausgeübt, kann darin ein rechtswidriger Eingriff in die Rechtsposition des Händlers gesehen werden, die dieser nicht hinnehmen muss. Amazon muss auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen seiner gewerblichen Verkäufer Rücksicht zu nehmen (vgl. § 241 Abs. 2 BGB). Die Freigabe einer Abschlagszahlung und die proaktive Kommunikation des Problems gegenüber dem Verkäufer sind das Minimum dessen, was von Amazon verlangt werden kann, selbstverständlich neben dem ernsthaften Bemühen um die sofortige Abstellung des rechtlich unhaltbaren Zustands.“

Der BVOH fordert Amazon auf, eine schnelle Lösung herbeizuführen, bevor Existenzen gefährdet werden.

Bislang werden Online-Händler von Amazon noch mit Mails wie diesen hingehalten: „Guten Tag lieber Händler, ich danke Ihnen, dass Sie sich für Ihre Anfrage an mich wenden. Sie haben sich an uns gewandt, da die manuelle Auszahlung zurzeit nicht möglich ist. Es handelt sich um ein technisches Problem, welches derzeit unter Hochdruck bearbeitet wird, da uns bewusst ist, dass es sich um Ihr Guthaben handelt. Wir entschuldigen uns dafür, dass nicht schon jetzt alles genau so funktioniert, wie Sie es sich vorstellen. Sollten noch Punkte zu unserem Anliegen offen sein, können Sie gerne auf diesen Fall antworten. Dann suchen wir gemeinsam weiter nach einer zufrieden stellenden Lösung.“

Jetzt aber flott, Amazon!

Die bisher von Amazon in dieser Causa an den Tag gelegte Kommunikation und Problemlösung ist völlig unzureichend und inakzeptabel. Der Online-Riese und globale E-Commerce-Marktführer agiert hier gegenüber seinen Partnern wie ein halbseidener Geschäftspartner mit Sitz in einer Bananenrepublik. Dies gilt insbesondere, weil Amazon – mit Recht aber sehr konsequent – in der Vergangenheit oft rigoros mit dem Einfrieren von Händlerkonten reagiert hat, wenn diese sich nicht an die gegenseitigen Vereinbarungen gehalten haben. Dieses Vorgehen war zwar in den meisten Fällen wie gesagt rechtlich nicht zu beanstanden, erhöht aber jetzt auch den Druck auf Amazon, seinerseits seinen Verpflichtungen nachzukommen. Und zwar flott!

Verdi wittert eine Verschwörung von Amazon

Wie der Bayrische Rundfunk aktuell berichtet, wittert ein Vertreter von Verdi, also der Gewerkschaft, die sich seit Jahren quasi im mehr oder weniger offenen Kriegszustand mit Amazon befindet, eine Verschwörung von Amazon, sprich, er unterstellt Absicht statt einer technischen Panne. Thomas Gürlebeck von der Gewerkschaft Verdi in Augsburg sagte dem BR-Studio Schwaben, das IT-System von Amazon sei perfekt und eines der besten in der Branche. Vielmehr sei der Vorgang ein weiteres Beispiel dafür, mit welchen Methoden der Branchenriese Amazon mit Vertragspartnern umgehe, so Gürlebeck. So weit möchte ich ohne entsprechende Beweise nicht gehen.

Amazon ist am Zug

Klar ist aber auf jeden Fall: Amazon ist jetzt am Zug und steht in der Pflicht, die momentanen Schwierigkeiten schnellstmöglich zu beseitigen, bei Händlern entstandene Schäden möglichst kulant zu regulieren und so verloren gegangenes Vertrauen schnellstmöglich wieder herzustellen. Denn eines wissen wir ja alle: Die finanziellen Möglichkeiten dazu hat Amazon. Der entsprechende Wille ist also gefragt. Und den erwarte ich auch von einem globalen Marktführer. Wie seht ihr diesen Fall?

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